Originalpublikation
Hemmer JH, Hubert F, Siewert S, Reisinger E (2021) Schutz vor COVID-19: Wirksamkeit des Mund-Nasen-Schutzes. Dtsch Arztebl 2021 Feb5; 118(Forthcoming):arztebl.m2021.0119. 10.3238/arztebl.m2021.0119. Online ahead of print.
Hintergrund.
Seit Februar 2020 werden in Deutschland und Österreich im Rahmen der COVID-19-Pandemie Präventionsmaßnahmen gesetzt. Teilweise gab oder gibt es dafür keine gesicherte Evidenz. Zu diesen Maßnahmen zählt auch der Mund-Nasen-Schutz, der am Anfang der Pandemie auch von der WHO als wenig effektiv eingeschätzt wurde. Innerhalb eines Jahres hat sich die Sichtweise beträchtlich geändert, und mehrere Studien belegen mittlerweile einen Schutzeffekt von „Masken“. Nach wie vor ist aber das Ausmaß eines solchen Schutzes ebenso in Diskussion wie der zu verwendende Maskentyp (Stoffmaske, chirurgische Maske, FFP2-Maske). Eine Übersichtsarbeit in Deutsches Ärzteblatt hat zuletzt wichtige Aspekte zusammengefasst [1].
Begriffsbestimmungen.
Ein Jahr Pandemie hat dazu geführt, dass sich die meisten Menschen über COVID-19 gut informiert fühlen und eine klare Vorstellung z. B. von einer FFP2-Maske haben. Von 10befragten Kolleg*innen konnte mir allerdings kein(e) Einzige(r) sagen, wofür „FFP“ steht (Anm.: die Abkürzung steht für „filtering face piece“). An den Beginn werden daher einige (vereinfachte) Begriffsbestimmungen gestellt.
Baumwoll‑/Stoffmasken: meist selbstgefertigter Mund-Nasen-Schutz ohne spezifizierte Schutzwirkung.
Medizinischer Mund-Nasen-Schutz/chirurgische Maske: genormtes Medizinprodukt zur Verhinderung der Übertragung von Krankheitserregern durch Tröpfcheninfektion, besteht meist aus 3‑lagigem Vliesstoff.
N95- (v. a. USA) bzw. KN95-Atemschutzmasken (v. a. China): haben für luftgetragene Partikel im kontrollierten Labortest eine Schutzwirkung > 95 %; Luftdurchlässigkeit und Atemwegswiderstand sind normiert. Die Filterwirkung ist ähnlich jener von FFP2-Masken.
FFP2-Atemschutzmasken: haben für luftgetragene Partikel im kontrollierten Labortest eine Schutzwirkung > 95 %; Luftdurchlässigkeit und Atemwegswiderstand sind normiert. Die Leckage beträgt < 11 %.
FFP3-Atemschutzmasken: haben für luftgetragene Partikel im kontrollierten Labortest eine Schutzwirkung > 95 %; Luftdurchlässigkeit und Atemwegswiderstand sind normiert. Die Leckage beträgt < 2 %.
Tröpfchen vs. Aerosol: Die Grenze zwischen „Tröpfchen“ und „Aerosolen“ wird üblicherweise bei einer Partikelgröße von 5–10Mikrometern (µm) gezogen. Das physikalische Verhalten ist aufgrund der Partikelgröße unterschiedlich.
Tröpfchen und Aerosole.
Größere Tröpfchen fallen meist innerhalb von 1,5–2 m Abstand auf den Boden. Kleinere Tröpfchen verdunsten, sodass deren nichtlösliche Schwebeteile in der Luft verbleiben. Sie erzielen dadurch eine wesentlich größere „Reichweite“ als größere Tröpfchen.
Beim Sprechen werden pro Sekunde bis zu 20.000 Tröpfchen mit einer Größe von 20–500 µm abgegeben; die Zahl der kleineren „Aerosoltröpfchen“ wird in der Arbeit nicht angegeben. Erwähnt wird jedoch, dass Aerosole beim Niesen bis zu 8 m „fliegen“ können, und durch Luftzirkulationen können sie auch immer wieder „aufgewirbelt“ werden. In solchen Aerosolen zeigte SARS-CoV-2 eine Halbwertszeit von 1,1 h.
Infektionswege und Infektiosität.
Infektionstüchtige SARS-CoV-2-Viren sind in Aerosolen bis zu 3 h nachweisbar. Sie können aber auch über Oberflächen (Überleben auf Stahloberflächen bis 48 h, auf Plastikoberflächen bis 72 h) indirekt übertragen werden. Dabei ist die tatsächliche Infektiosität abhängig von der übertragenen „Viruslast“. Die Verordnung von Masken zielt auf die Reduktion der Virusbelastung durch Verminderung der Tröpfchenverbreitung. Im Nahbereich (15 cm) vermindern Baumwollmasken die Anzahl verbreiteter Tröpfchen um 60–95 %, chirurgische, N95- und FFP2-Masken um 99 % oder mehr.
Experimentelle fotografische Darstellung.
Die in der referenzierten Publikation gezeigte Abbildung wurde mit Genehmigung des Deutschen Ärzteverlages für diesen Beitrag übernommen (Abb.1). Unter LED-Hochleistungsbeleuchtung und Verwendung eines Makroobjektivs wurde dort unter verschiedenen Bedingungen die Verbreitung von Tröpfchen visualisiert. Dabei zeigt sich, dass insbesondere beim Singen und beim Niesen die Verbreitung von Tröpfchen durch Masken sehr deutlich reduziert werden kann.
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Kommentar
Es gilt heute als allgemein belegt, dass Masken die Verbreitung von Aerosolen und damit die aerogene Transmission von SARS-CoV‑2 reduzieren können [2–4]. Ob bzw. wie sehr FFP2-Masken dabei medizinischen/chirurgischen Masken überlegen sind, ist hingegen noch nicht gut abgesichert; erst unlängst hat eine Vertreterin der ECDC das infrage gestellt [5]. Aus medizinischer Sicht erscheint auch das stundelange Maskentragen vertretbar, und die bisher vorliegenden Studien zeigen (zumindest bei Gesunden) keine gesundheitsschädigenden Effekte [6]. Von einer „Maskenpflicht“ ausgenommen werden sollen lt. WHO jedoch Kinder unter 6Jahren– bei ihnen könnte der Schaden größer sein als der Nutzen [7].
Das Thema „Masken“ ist allerdings auch durch „Maskengegner“ und „Maskenverweigerer“ emotional belastet. Sie begründen die Ablehnung der Maskenpflicht oft mit Nebenwirkungen wie Atemnot, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und Müdigkeit [8]. Da es sich hierbei ausschließlich um subjektive Beschwerden handelt, könnten die Umfragen dazu einen starken „Bias“ haben. Man sollte diese allerdings auch nicht grundsätzlich als unseriös abtun.
Neue und ansteckendere Virusmutanten und eine mögliche „Rückkehr“ von SARS-CoV‑2 im Herbst/Winter 2021/22 (dann evtl. als „Twindemie“ gemeinsam mit Influenza) lassen erwarten, dass uns der Mund-Nasen-Schutz weiterbegleiten wird. Und dass Maskenhersteller wohl noch länger gute Geschäfte machen werden….
Interessenkonflikt
R.Kerbl gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur
- 1.Hemmer JH, Hubert F, Siewert S, Reisinger E. Schutz vor COVID-19: Wirksamkeit des Mund-Nasen-Schutzes. Dtsch Arztebl. 2021 doi: 10.3238/arztebl.m2021.0119. [DOI] [Google Scholar]
- 2.Coclite D, Napoletano A, Gianola S, Del Monaco A, D’Angelo D, Fauci A, Iacorossi L, Latina R, Torre G, Mastroianni CM, Renzi C, Castellini G, Iannone P. Face mask use in the community for reducing the spread of COVID-19: a systematic review. Front Med. 2021;7:594269. doi: 10.3389/fmed.2020.594269. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
- 3.Iannone P, Castellini G, Coclite D, Napoletano A, Fauci AJ, Iacorossi L, D’Angelo D, Renzi C, La Torre G, Mastroianni CM, Gianola S. The need of health policy perspective to protect Healthcare Workers during COVID-19 pandemic. A GRADE rapid review on the N95 respirators. PLoS ONE. 2020;15(6):e0234025. doi: 10.1371/journal.pone.0234025. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
- 4.Huppertz H-I, Berner R, Schepker R, et al. Verwendung von Masken bei Kindern zur Verhinderung der Infektion mit SARS-CoV-2. Monatsschr Kinderheilkd. 2021;169(1):52–56. doi: 10.1007/s00112-020-01090-9. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
- 5.www.thegermanyeye.com/eu-authority%3A-additional-benefit-of-ffp2-masks-quite-low-3942. Zugegriffen: 14. März 2021
- 6.Eberhart M, Orthaber S, Kerbl R. The impact of face masks on children—a mini review. Acta Paediatr. 2021 doi: 10.1111/apa.15784. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
- 7.Kerbl R. COVID-19: Masken für Kinder? Eine Einschätzung von UNICEF und WHO. Monatsschr Kinderheilkd. 2021;169:97–98. doi: 10.1007/s00112-020-01086-5. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
- 8.www.co-ki.de. Zugegriffen: 14. März 2021